Von Gran Canaria bis Gambia im Dezember 2009

Wir haben am 19.12.2009 um 11 Uhr Ortszeit den Absprung von den Kanaren geschafft. Anlass für unseren Aufbruch vor dem Weihnachtsfest war ein kurzes vorhergesagtes Zeitfenster mit Nordwestwind und ein von Westen her aufziehendes Tief, dass ab dem 22.12. für die Kanaren angekündigt wurde und vor dem wir flüchteten. Tatsächlich hat es uns nicht mehr erreicht.

 

Vor einem Jahr, am 15.12.2008, landeten wir von den Azoren kommend in El Hierro, der südwestlichsten der Kanareninseln. Eigentlich wollten wir auf den Kanaren nur unser Schiff in einer Werft überholen, einige Ersatzteile besorgen bzw. neue anschaffen und es uns gut gehen lassen. Daraus wurde dann ein Jahr und in den verschiedenen Häfen/Liegeplätzen lernten wir viele interessante Segler kennen. Wesentliches Gesprächsthema: Woher kommst Du, wohin willst Du weiterziehen? Viele der Segler wollen direkt in die Karibik, einige aber est mal auf die Cap Verden oder, so wie wir, direkt nach Süden. Mehrere zumeist Katamaransegler, sind mit ihren Boote schon nach Gambia gestartet und warten dort auf uns. Mit anderen sind wir in Brasilien oder in der Karibik verabredet.

 

Auf unserem Törn blies uns anfangs ein leichter Südwestwind entgegen. Mit unserer Genua und dem Groß konnten wir Südost gutmachen, allerdings war der Wind abnehmend. Am 4. Tag waren es nur noch umlaufende Winde, dann Windstille ab dem 22. Breitengrad. Wir motorten zunächst eine Nacht und einen Tag in der Hoffnung, bald wieder auf Wind zu stoßen, doch vergeblich.

Die folgenden Tage waren eher frustrierend: Totale Windstille, vor Mauretanien, an der Küste unwirtliche Felsen und ein breiter flacher Saharastrand der sich unter Wasser gut 30 sm weit in den Atlantik hinaus fortzusetzen schien und das mit Wassertiefen von 25-50 m. Ein Gebiet für internationale Krabbenfischer, die Boote nur etwas verrosteter als in der Wesermündung. Mangels Wind entschieden wir uns in der Nacht am 24.12. vor der Küste zu ankern, auf 12 m Tiefe. Hier war in der Seekarte ein Anker eingezeichnet, aber wohl nur für die Berufsschiffart. Das flache Wasser erschien in der totalen Windstille als olivgrünbraune gellertartige wabbernde Brühe und stank. Vor den schroffen Felsen war tosende Brandung von sich brechenden 5-6 m hohen Atlantikwellen zu sehen und zu hören und verhinderte jeden Gedanken an einen Landgang. In dem Grenzgebiet zwischen West-Sahara und Mauretanien wurden wir von einem Militärjeep aus beobachtet. Am darauf folgenden Morgen gingen wir anker auf und harrten lieber draußen auf dem Meer auf den ersehnten Wind. Mittags umkreiste uns innerhalb der 12 Meilen Zone ein Militärboot. Per Seefunk wurden wir gefragt, ob wir auf Arabisch antworten könnten, was wir leider verneinen mussten. Später ertönte dann in Englisch die Frage nach unserem Schiffsnamen, Nationalität und dem Woher und Wohin, dann - ob wir einen Motor hätten – oder ein Problem. Mit unseren Erklärungen, dass wir auf Wind warteten und deshalb hier herumstünden, erschien man zufrieden. Damit reichten die Erkundungen und das Boot zog weiter.

In der Windstille wurde die Luft diesig und die Sicht auf gut 100 m eingeschränkt. Während des Mittagessens hörten wir Motorengeräusch lauter werdend und dann tauchte unmittelbar vor uns ein Fischereifahrzeug auf. Es machte keine Fahrt mehr und an Deck war kein Mensch zu sehen. Wir mussten folglich schleunigst per Motor einen Bogen daraumherum beschreiben.

Schließlich erhielten wir von Neptun das ersehnte Weihnachtsgeschenk: Am 27. Dezember frühmorgens setzte beginnend mit 5 kn sanfter Nordwind ein. Der Blister konnte gehißt werden und die folgenden Tage entschädigten uns für die drei Flautentage. Dann nach 2 Tagen fleißigen Diensttuens, fiel der Blister mit einem lauten Knall von oben herab, mir direkt vor die Füße. Ich lag gerade mit einem spannenden Buch im Trampolin auf dem Vorschiff. Das Segeltuch begann ins Wasser unter das Schiff zu sinken, hing aber noch an den Schoten. Nun da die Fahrt aus dem Schiff war, konnten wir ihn unversehrt bergen. Der Block oben im Mast, an dem der Blister mit dem Bergeschlauch hing, war an einem Wirbel gebrochen.Das Fall hing also noch oben im Topp.

 

Danach konnte unser in Las Palmas erworbener gebrauchter Spinnaker von ca. 50 m² sein Debüt geben. Auf der Höhe von Dakar drehte der Wind und auch unser Kurs richtete sich nach südost und damit kamen Groß und Genua Segel wieder zum Einsatz - bis uns der Wind verließ und die letzten 50 nm bis Banjul zu motoren waren.

 

So schafften wir noch am 30. Dezember 2009 unseren Weg bis Gambia.

In der Mündung des Gambia Rivers begrüßte uns frühmorgens eine große Gruppe Delfine, wie stets ein schönes Schauspiel.

 

Am 30. 12. um 15 Uhr erreichten wir Banjul und steuerten die uns per Funk empfohlene Ankerposition vor der Pier an. Von dort wurde uns eifrig gewunken - von einem jungen Gambianer namens Bob, der sich schon selbst zu unserem Guide erklärt hatte. Er sei unser Freund, der uns bei allen notwenigen Wegen behilflich sein will. Wir hatten zwar mit Adi, der uns über Intermar als Ansprechpartner genannt wurde, gerechnet, aber Bob erklärte sich als sein Bruder und wir sollten ihm vertrauen. In Gambia sei ohnehin alles „no Problem“. Er begleitete uns zur Immigration auf dem Hafengelände, untergebracht in einem sehr kleinen Anbau, dürftig mit Material ausgestattet, dafür aber voller sich lautstark unterhaltender und wild gestikulierender Frauen. Schließlich begaben sie sich zu einem Gebetsteppich vor dem Gebäude und lauschten dem Vorsänger, dem Imman. Dann bekamen wir schlecht fotokopierte Formulare zum Ausfüllen, mussten mangels einheimischer Dalasie 20 US-Dollar Bearbeitungsgebühr abdrücken und einen zweiten herbeigerufenen Uniformierten zum Schiff fahren und ihm das Innere zeigen. In der Küche interessierte er sich für dort gelagerte Milchtüten und erbat eine für sich und dann noch eine für seinen Chef. Ein Blick auf unsere einsortierten Schuhe ließ ihn entzücken und ein Paar ließen wir in seine Tüte wandern

 

Die Gänge zum Zoll und zum Hafenbüro mussten aufgrund der fortgeschrittenen Zeit auf den nächsten Morgen verschoben werden. Statt dessen erklärten sich Bob und der inzwischen dazugekommende Adi bereit, uns bei Eintritt der Dunkelheit beim Beschaffen von Süßwasser und Diesel behilflich zu sein.  Tagsüber sei das schlecht zu machen. Zum Tanken von Wasser wurde auf dem Hafengelände eine Leitung abgezweigt und das Wasser in unsere Kanister gefüllt – nicht ohne vorher den Wachhabenden mit 200 Dalasie zu bestechen. Nach dem Einfüllen des Wassers gings ans Dieseltanken. Dieser wurde in 20 l Kanistern im Kofferraum eines aus der Dunkelheit auftauchenden Fahrzeuges zu unserem Beiboot transportiert, von unseren beiden Guides zum Schiff und fachmännisch in unsere Tanks eingefüllt. Schließlich kennen sich beide mit Schiffsan-gelegenheiten aus, Adi ist Lotse und Bob Mechaniker an Bord eines großen Schiffes

 

Auf unsere Bitte wurden wir zu einer Bank gefahren und per Geldautomat konnten wir die nötigen Dalasie erhalten, umgerechnet 1 Euro pro Liter Diesel. Darüber war es Mitternacht geworden und wir luden unsere beiden Guides in ein Restaurant mitten in der Hauptstadt Banjul zum Essen ein. Für uns vier Personen kostete es 300 Dalasie, umgerechnet 8 €.

 

Die Hauptstraße von Banjul ist asphaltiert, zwischen alten englischen Bauten  mit Balkonen sind Geschäfte in Wellblechhütten untergebracht, dazwischen etliche baufällige Gebäude oder Trümmerberge.

 

Am nächsten Morgen brachte uns der Weg zum Zoll und zum Hafenbüro noch interessante Erlebnisse. Wir hatten den Eindruck, dass sie diese Formalitäten noch nie erledigt hatten, zumal sie sich schwer damit taten. Formulare, für die Berufsschifffahrt gedacht, mußten mittels stark abgenutztem Blaupapier durchgeschrieben werden, dann fehlten dem Hafenmeister Nachweise unserer Zollformalitäten, wir mussten nochmal zurück und es waren Kopien erforderlich, nochmal 200 Dalasie abgedrückt – und irgendwann waren wir fertig und wurden für „free“ erklärt. Nun konnten wir ganz Gambia, insbesondere flussaufwärts bereisen. Der Hafenmeister gab uns noch eine fotokopierte Karte des Flusses und aufgelistete Regeln für ein umweltfreundliches Verhalten in den Naturschutzgebieten. Dann wurden wir willkommen geheißen. „You are wellcome, Gambia is a smiling country“. Wir können uns nun für 1 Monat im Land bewegen, müssen dann jeweils einen weiteren Monat verlängern und können sogar für immer hierbleiben. Es soll bereits etliche Europäer hier geben, die sich Häuser gekauft hätten.

Ohne die beiden Guides waren diese Behördenwege sicherlich sehr schwer für uns geworden.

 

Während unserer 12 Tage währenden Fahrt gab es nur wenige Probleme: 2 hausgemachte, ein Materialproblem und einen Verlust. So arbeitete die Lenzpumpe im Toilettenraum kräftig. Sie war dabei, das kostbare gespeicherte Trinkwasser, dass aus einer Undichtigkeit in der Leitung ausgetreten war, abzupumpen. Uns fiel das erst auf, als der Steuerbordtank leer war. Macht nichts, wir haben noch genug Reserve und einen kleinen Wassermacher.

Dann fiel der Steuerbordmotor aus. Dabei war doch sein Dieseltank voll gewesen. Nur bekam er keinen Diesel mehr, denn der lag auf dem Boden unter ihm in meiner Schlafkabine. Ich bemerkte das erst, als mir die ölstinkende wabbernde Flüssigkeit am Boden meines Kleiderschrankes auffiel. Anlass für den Dieselaustritt war eine aufgescheuerte Stelle am Dieselschlauch: Lothar hatte eine Plastikkiste mit den Motorersatzteilen neben den Motor gelagert und mit einem Gummistropp zusätzlich gesichert. Einer dieser Haken hatte den Dieselschlauch durchgescheuert. Lothar erneuerte ihn sogleich. Die gut 35 Liter  pumpte Lothar ab und füllte sie per Trichtersieb in den Tank zurück, wo sie ja hingehörten

 

Das Materialproblem, nämlich ein gebrochener Doppelblock oben am Blister, zeigte sich wie bereits beschrieben, indem mir der Blister einfach vor die Füße fiel. Bei den Bergungsarbeiten im Wasser stellte Lothar dann einen Verlust fest, es fehlte der Steuerbordpropeller. Lothar machte daraufhin den noch an Bord aufbewahrten alten aussortierten Propeller   mit Hilfe einer Edelstahlscheibe passenden Durchmessers und Epoxyd startklar und montierte ihn im Wasser vor dem Einlaufen in Banjul. Problem war die selbsthemmende Krohnmutter auf der Welle. Auch hierfür fand sich Ersatz von einem alten Aussenborder.

Am 31.12.2009 gegen Mittag nach dem Erledigen aller Formalitäten machten wir uns auf den Weg zur Lamin Lodge, ca 5 Meilen flussaufwärts, in ein Naturreservat.  Hier ankerten 5 Katamarane und 5 Monohulls. Von den Seglern wurden wir herzlich begrüsst, denn wir kannten uns bisher nur vom Funk. Der Sylvesterabend konnte starten

 

In der Lamin Lodge, einem mehrstöckigen Holzbau, war ein Tisch reseriert und Peter, der Betreiber der Lodge, hatte einheimische Musik im Raggyrhythmus und gutes Essen organisiert. Er kam vor 28 Jahren her und blieb bei einer Gambianerin und genießt die afrikanische Lebensweise. Gegen Mitternacht feierten wir an Bord der Schiffe weiter, begrüßten mit Sekt das Neue Jahr und bewunderten das Feuerwerk über Banjul und Senegambia. Vom Beiboot aus machten mitgereiste Kinder noch ihr eigenes Feuerwerk.

Somit waren wir ins Jahr 2010 hineingerutscht. In dieser Nacht störte kein Windhauch und keine Welle unseren verdienten Schlaf. Selbst die Vögel in den nahen Mangrovenwäldern waren bis zum Sonnenaufgang still.