Unser Seglerleben auf den südlichen Azoreninseln
Nun sind wir seit dem 16.05.2008, also schon 10 Wochen in unserem „Sommerurlaub“ auf den Inseln des Azorenarchipels, unserem ersten gesteckten Reiseziel. Es ist ein liebens- und lebenswertes Revier mit einem angenehm warmen Klima und die Inseln laden zum Bleiben ein. Segeltörns zwischen den Inseln machen jedoch eine sorgfältige Beobachtung der Windverhältnisse und die Ausschau nach geeignetem Wind in all dem Azorenhoch erforderlich, sonst ist hier im Sommer motoren angesagt.
Vorherrschend scheint in den Sommermonaten der Westwind zu sein. Er machte es uns bei unserer Anreise schwer, zu dem Archipel vorzustoßen, fast hätte er uns südlich der Inseln vorbeigeweht. Nur unter Zuhilfenahme von Motorkraft erreichten wir die südöstlichste der Azoreninseln, nämlich Santa Maria. Im einzigen Hafen der Insel, Vila do Porto, wurden wir von sehr aufmerksamen Uniformierten sofort begrüßt. Wir waren das zweites Segelboot in dem Yachthafen, kurz vor seiner offiziellen Eröffnung nach einem Jahr Bauzeit. Am 20.05.2008 enthüllte der Presidente do Governo Reginal dos Acores: Carlos Manuel Martins doVale Cesar in Begleitung des Priesters den Gedenkstein, abgebildet in meiner Bilderzählung. Der Eröffnungstag war ausgefüllt mit Ansprachen, Aufmarsch der verschiedenen Musikgruppen wie der Bombeiros, vor dem Hintergrund eines im Fährhafen liegenden Traditionsseglers mit Kindern der Azoreninseln, einem wasserfontänenspeienden Hochseeschlepper abgerundet mit einer für uns kostenlosen Einladung zur gedeckten Tafel, auf der die köstlichen Speisen und Getränke der Azoren aufgefahren waren. Kurz: Ein Bilderbuchtag.
Bis zur Inbetriebnahme der Verwaltung und der verschiedenen Dienste im Hafen zum Monatsende Mai war für uns kostenloses Liegen im Yachthafen, was unserer Bordkasse gut bekam. Wir erkundeten die Insel zunächst mit unseren Fahrrädern – die durch die Vulkanberge geprägten Straßen erfordern gute Kondition – später mit dem 3 x täglich verkehrenden Schulbus, dann mit einem Leihwagen. Ein Ausflug in die Nachbarbucht mit unserem Beiboot bekam uns weniger gut: In der Bucht von Praia Formosa brachte uns eine für uns unverhofft herein schlagende sich brechende Welle breitseits zum Kentern. Es war für unseren 8 PS Beibootmotor das erste Salzwasserbad und nach einer gründlichen Süßwasserspülung konnte er seinen Dienst wieder aufnehmen.
Die Insel bietet Naturfreunden und Eremiten beste Erholungsmöglichkeit. Von der Hauptstadt Vila do Port und dem Flughafen führen über die Inselmitte asphaltierte Straßen in die Buchten, vorbei an kleinen Ansiedelungen. Keine Hochhäuser oder Hotelburgen, dafür vier kleine Hotels, die uns recht leer erschienen und während der Wintermonate sogar schließen müssen.
Der Lebensunterhalt gestaltete sich für uns recht günstig. Die Lebensmittelpreise sind durch die 4 % ige Mehrwertsteuer niedrig, das Essen im Restaurant wird mit 8 % versteuert, ansonsten gilt eine 15%ige Mehrwertsteuer. Der Diesel kostet knapp 1 € pro Liter. Allerdings dürften die Verdienstmöglichkeiten auf Santa Maria gering sein. Uns fiel der hohe Anteil der Älteren sowie der Arbeitslosen auf, die sich den Tag in den Straßencafés oder vor ihren Häusern die Zeit vertreiben. Viele Häuser stehen leer oder sind schon zu Ruinen verfallen. Hier bereits niedergelassene deutsche Residenten berichteten uns, dass ein Hauskauf bzw. Aufbau einer Ruine hier sehr günstig sei.
Für eine Woche verholten wir uns mit unserem Schiff in die traumhaft gelegene Bucht auf der Ostseite der Insel Sao Lourenco, wo wir in dem klaren Wasser schnorcheln und tauchen konnten. Von einem deutschen Tauchguide wurden wir im Angeln und Zubereiten der Drückerfische unterrichtet. Die Haut ist so zäh, dass Lothar sie nach dem Einritzen mit einer dicken Zange unter Kraftaufwand abziehen muss. Die Fangquote mit blankem Haken ist gesichert, das Fleisch ist kräftig und gut schmeckend mit nur wenigen dicken Gräten. In dieser einsamen Ankerbucht fiel mir besonders der Gesang der Vögel auf. Des Nachts tönen viele Erzählungen von den Vogelreisen um die vulkanischen Bergspitzen, es tönt, als ob Kinder auf einem Kamm blasen.
Ein günstiger Südostwind wehte uns mit durchschnittlich 15 kn/Std. am 23.06.08 auf die Nachbarinsel Sao Miguel, 55 sm nordwestlich gelegen. Hier regnete es erstmals ausgiebig für uns. Beim Einchecken im Hafen Ponta Delgada meinte der Uniformierte, dass die Sonne von Santa Maria, die den Beinamen „Isla do Sol“ trägt, geklaut worden sei.
In den nächsten drei Tagen erkundeten wir zusammen mit unserem Gast Thorsten in einem Leihwagen die Insel, besuchten die heißen Quellen, badeten im 39 ° warmem Thermalschwimmbecken des Gartens Terra Nostra. Dieser Park wurde ursprünglich im 18. Jahrhundert von einem Briten angelegt und wird von den jetzigen Eigentümern mit Liebe gepflegt. Der wunderschöne Garten kann einen alten Baumbestand aus Nordamerika mit unermesslich verschiedenartigsten Pflanzenarten aufweisen. Ein Kururlaub allein in diesem Garten mit dem warmen See wäre ein Erlebnis. Wir erklommen hohe Inselberge und genossen in einem ländlichen Restaurant im Ort Siete Cidade zwischen dem blauen und grünen See das zarte Rindfleisch der Inselkühe in Form eines schmackhaften Steaks.
Allerdings vertrieben uns die Liegeplatzbedingungen aus der Insel: Der Hafen Sao Miguel wie auch der Nachbarhafen Vila Franca do Campo waren durch Bauarbeiten geprägt und Lärm störte unseren Nachtschlaf. Liegen im Päckchen im engen Hafen zu 28 € pro Tag! Das waren wir nicht mehr gewohnt. Ankermöglichkeiten weist die Insel kaum auf, da es wenig Sandbuchten gibt und die Küste steil abfällt. Als sich Ostwind ansagte, hissten wir die Segel und setzten uns mit 330 ° Kurs Richtung Terceira ab. An der Westspitze von Sao Miguel pusteten einige Wale ihre Fontänen, ließen ihre Rückenflossen und auch eine Schwanzflosse beim Abtauchen sehen.
Für die 97 Meilen nach Terceira brauchten wir bei dem Schwachwind aus Nordost immerhin 26 Stunden, teils unter Blister, zum großen Teil jedoch unter Motor, zuletzt sogar mit beiden Motoren, weil wir schließlich ankommen wollten.
Beim Einlaufen in die Bucht von Angra do Heroismo bemerkten wir einen Ankerlieger mit französischer Flagge und legten uns sogleich daneben. Beim Einklarieren ergab sich, dass ein Liegen in der Bucht problemlos möglich ist und uns wurde zudem die Nutzung der Annehmlichkeiten des Yachthafens einschließlich Anlegen mit unserem Beiboot angeboten. Das Einklarierensformular wie auch Tage später das Ausklarierungsformular erhielten wir ohne jegliche Gebühr. In der Stadt wurde gefeiert, die Straßen waren wie zu Weihnachten geschmückt und viele vorwiegend junge Leute genossen das Straßenfest und die Musik. Wir besuchten mehrfach einen Caipirinjastand, betrieben von einem Azoreander, der in einer deutschstämmigen Familie in Südbrasilien aufgewachsen war. Er berichtete uns, dass er in der für ihn schönsten Insel des Archipels, nämlich Sao Miguel, lebe. In nächsten Tagen werde er zum Straßenfest auf die Nachbarinsel Sao Jorge weiterwandern. Seine Einkommensquelle durch den Caipirinja zu 2,5O € pro Becher war bestens.
Wir genossen einen Spaziergang durch die historische Stadt – sie ist schließlich aufgrund ihrer vielen Kirchen und Klöster in die Liste der Weltkulturerben eingereiht worden – erklommen den Monte Brasil, eine vorgelagerte bizarre Vulkanhalbinsel. Das Wasser in der Bucht war zum Schnorcheln zu trüb und zum Angeln leider nicht erfolgreich genug und wir nutzten deshalb den Westwind und segelten in die Praia da Vitoria an der Ostseite der Insel. Der Weg führte uns an den vorgelagerten kleinen Inseln vorbei, die steil aus dem Atlantik ragen. Der erhoffte Wal tauchte aber leider nicht auf. Wir stellten uns hier herrliche Tauchgründe vor, leider können wir mit dem Boot vor Ort schlecht ankern.
In der Bucht der Stadt Praia da Vitoria an der Nordostküste der Insel bemerkten wir einen wunderschönen Sandgrund, der sich zum Ankern anbot. Allerdings stellten wir sehr schnell fest, dass der Platz in jeder Hinsicht verkehrsgünstig gelegen war, das heißt, Einflugschneise vom Inselflughafen. Nicht nur Flugzeuge der azoreanischen SATA flogen in Sichtweite über uns sondern auch etliche amerikanische Aufklärungsflugzeuge.
Ansonsten sind die Lebensbedingungen für Langzeitsegler hier hervorragend: Ein einladender Hafen mit großer Ankerbucht, offen nach Osten, mit günstigen Gebühren beim Liegen im Hafen. Internetempfang in der ganzen Bucht, so dass ich jetzt vom Boot aus meinen Bericht auf meine homepage einfügen kann. Gute Einkaufsmöglichkeiten und auch Verkehrsverbindungen über Land, Wasser und Luft. Ein geeigneter Ort, um sein Boot über einen längeren Zeitraum liegen zu lassen.
Unser Gast Thorsten pflegt hier seine Leidenschaft fürs Angeln und die Kunst, für den jeweiligen gewünschten Fisch den richtigen Haken und Köder zu finden. Angeln ist auf den Azoren ohne Einschränkung möglich. Für unseren Mittagstisch ist jetzt gut gesorgt. Drückerfische sind jetzt out, größere Fische werden bevorzugt.
An diesem Wochenende wird auch hier gefeiert, eine Art Musikfestival verbunden mit einer Vorstellung vieler portugiesisch geprägter Länder mit ihren gastronomischen Besonderheiten. Die Azoreaner lieben die Feste und das unbeschwerte Leben.